Brief aus der Ferne

"Suleika, meine liebe Frau,
ich nix mehr Arbeit auf die Bau.
Kollegen auch schon sein entlassen,
weil Chef hat nix mehr Geld in Kassen.
Nun du nicht denken, das wär schlimm,
ich immer froh und munter bin.
Vergnüge mich halt irgendwie
mit Kartenspielen oft bis früh.

War auch schon auf die Arbeitsamt
und kriegen Geld, dem Gott sei Dank.
Ich zeig Papier, die geben Stempel,
ich danken Allah gleich im Tempel.
Das ganze Arbeit – nix mehr bücken -
und kann doch Geld nach Hause schicken.
Oh Deutschland, schönstes Land von Welt,
nix Arbeit und viel Stempelgeld.

Der Zahnarzt sagen, ich gewiss
am Montag haben neu Gebiss.
Wenn Oma komm, ich werden sehn,
dass sie kriegt auch so schöne Zähn.
Du wissen, es ja besser ist,
wenn jeder eigenes Gebiss.
Sie muss nix warten mehr bei Essen,
bis Opa fertig hat gegessen.
Wird machen ihr bestimmt viel Spaß,
und alles zahlt die Krankenkass.

Und wenn es seien Allahs Wille,
bekomm ich Mittwoch neue Brille.
Kann damit Karten besser sehn
und nachts noch auf die Straße gehn.

Bin jetzt schon viele Jahre fort,
hast du noch ein paar Kinder dort?
Wenn ich nix wissen, ganz egal,
du müssen schreiben nur die Zahl.
Weil ganz bestimmt bis nächste Winter
zahlt Arbeitsamt auch für die Kinder.
Drum schicke bitte schleunigst mir
von Amt beglaubigt das Papier,
womit dann hier ganz froh und munter
mein Geld geht rauf und Steuern runter.
In Deutschland, schönstes Land von Welt,
bekommst für Nichtstun auch noch Geld.

Suleika, hast auch Zelt geflickt
von Geld was habe ich geschickt?
Bald bring ich mehr und baue Haus,
halt Einsamkeit noch ein Jahr aus.
Wenn die Vertrag hier sein zuende,
ich komm in Heimat, bringe Rente.
Vorbei sein Hunger, Armut, Not,
weil Deutschland gibt uns täglich Brot.

Ich machen mit die Brief jetzt Schluss
und senden dir ganz viele Gruß.
Bleib schön gesund, gruß alle Lieben,
sag ihnen Ali hat geschrieben.“