Kehraus

Ich such ein altes Medaillon
und finds in einem Schuhkarton.
Er steht versteckt im Bücherschrank,
verbirgt Erinnerung schon lang.

Ich denke hin und denke her,
wird mir das Herz beim Sichten schwer?
Ach was, ich bin nicht zimperlich,
ich krame also, freue mich

am gilben Foto meiner Oma -
der Opa starb schon früh im Koma -
sehr steif in Schwarz mit weißem Kragen,
ich spür noch heut ihr Missbehagen.

Und dann, du liebe meine Güte,
ein Bild von mir mit Riesentüte
zum Einschultag mit schlechter Laune,
ich sitze hier und lache, staune.

Die Schulzeit konnt ich schwer verknusen,
denn alle Mädchen hatten Busen
und ich war platt mit Storchenbeinen,
könnt heut noch übers Foto weinen.

Erfreulich dann ein hübscher Preis,
für einen Schwimmsieg der Beweis,
ein Einserzeugnis, da schau her,
ich weiß, es fiel mir ziemlich schwer.

Der Schlüssel für mein Tagebuch,
gerollt in ein besticktes Tuch,
schützt längst schon kein Geheimnis mehr -
wie viele Jahre ist das her?

Vom Nordseestrand zwei runde kleine
besonders platte graue Steine,
erzählen mir von Salz und Prielen,
vom Krabbenbrot und hübschen Sielen.

Ein Teil von Christos Reichtagshülle,
das rosa Liebesbriefgeknülle,
ein bunter Glaskeks vom Canale,
ein Engel in der Walnussschale,

ein Milchzahn, eingefasst, mit Kette,
ein Stückchen Haschischzigarette,
vom damals Liebsten eine Locke,
von meiner Puppe eine Socke …….

Ich lache, weine, wundre mich
und fühle mich absonderlich,
bemerke einen dumpfen Zwang -
ist dieses alles von Belang?

Ich sage Ja, entdecke neu
ein Leben das, oh meiner Treu,
meist spannend war und niemals trist,
von Hoch und Tief getragen ist.

© 24.04.2016