Venedig
06.04.2014

Sieh doch, und schau auf die Tränen. Venedig erinnert den Pesthauch,
Grauen und Tod; in dieser Nacht sind sie allgegenwärtig.
Schwach nur beleuchten Fackeln die dunklen und stillen Kanäle,
Gondeln gleiten in düsterer Trauer fast lautlos vorüber.
Ärzte stehen darauf, gehüllt in schwarze Gewänder,
große Hüte und weite Kapuzen verbergen die Häupter,
wie auch die weißen Masken mit Furcht erregenden Schnäbeln.
Glimmende Kräuter darin verbreiten dichte Schwaden
beißenden Rauchs, bedecken die Gassen, Plätze und Brücken,
Leichentüchern gleich. Erinnerung lähmt die Lagune.
Still und bewegungslos machen die Pestärzte schreckliche Zeiten
wieder lebendig, gemahnen Trauer und große Verzweiflung.

Sieh doch, und schau auf die Masken. Die Menschen schmücken sich heute.
Harlekin, Emir und Päpste, Gespenster, Mätressen und Gaukler
singen, tanzen und scherzen, beschwingt erklingen die Lauten.
Narren treiben verwegene Possen, die Mädchen entfliehen.
Dogen bewegen sich würdig, sie führen kostbare Damen,
Küsse und lustvolle Nächte erwartend, durch düstere Gassen.
Kerzen beleuchten Brücken, bringen Kanäle zum Funkeln.
Tauben flattern verstört, sie suchen sich ruhige Plätze.
Mondlicht und Sterne belächeln die Anmut und Schönheit, die Freude
fröhlicher, prachtvoller Feste, den heiteren Glanz der Lagune.

Sieh doch, und schau die morbide Schönheit inmitten der stinkenden Wasser;
prachtvoll ist die Geschichte, traurig der Verfall in modernden
Kloaken. Glanz, Verfall und Elend beherrschen den Alltag der Insel.

© 06.04.2014