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Ragnarök
„Er riss schon wieder Federn aus vom Schwanze deiner Raben. Ich schicke ihn alsbald nachhaus und will ihn nicht mehr haben. Das geht mir wirklich viel zu weit, er ist wohl nicht mehr ganz gescheit! Thor soll sich um ihn kümmern.“
„Ach Frigga, sei nicht so gestreng, er ist ein kleiner Junge. Du siehst Erziehung ziemlich eng, drum hüte deine Zunge. Er wird bestimmt ein tapfrer Held, hat gar nichts Schlimmes angestellt, setze dich zu mir, Magni.“
„Bin Opa Odin, wie du weißt, hab Vieles schon ertragen. Bewahr in dir den Asengeist, du musst nicht Raben jagen. Vertraue ihnen, sie sind klug, beschützen uns vor Lug und Trug, lasse sie stets in Frieden.
Merk auf, die beiden helfen mir, ich kann nicht alles sehen. Erzählen, was geschieht allhier, das wirst du bald verstehen. Auch meine Wölfe lass in Ruh, sie jagen für uns immerzu, sichern das Überleben.
Ich reite jeden Tag herum auf Sleipnir und mit ihnen, wir schaun uns in den Welten um, dem Göttervolk zu dienen. Es war nicht immer leicht, gewiss, es gab so manches Ärgernis. Lass es mich dir erzählen:
Die Heimat ward vom Krieg bedroht, ich musste sie beschützen, es nahten Tod und Hungersnot, mein Opfer sollte nützen. Ich ritt zu Mimir, gab als Pfand mein gutes Auge rechterhand, würde es sehr vermissen.
Ich hing sogar an Yggdrasil, um Weisheit zu erlangen. Doch wünschte mir wohl allzuviel – sie ließ mich dort nicht hangen. So nahm das Unglück freien Lauf, das Kriegsgeheul klang ab und auf. Mussten zu Schwertern greifen.
Vom Zauberbrunnen trank ich Met, erkannte die Gefahren. Rief unsre Ahnen im Gebet, sie sollten uns bewahren. Doch höre Kind, es ging nicht gut, der Feind nahm Leben uns und Mut, tötete alle Asen.
Sie lagen dicht an dicht gedrängt, der Tod hielt sie beisammen. Ihr Schicksal hatte er gelenkt; das Land verglomm in Flammen. Der Fluss trug manche Leiber fort ins Reich der Götter, ihrem Hort, sollten daselbst genesen.
Die Ragnarök war unser Tod, wir waren rasch geschlagen. Die Schlucht, der Fluss, sie glühten rot, das Reich voll Heldenklagen. Die Heimat Asgard war verqualmt, und Mauern, Brücken, Schloss zermalmt. Alles erschien verloren.
Dein Vater starb im Schlangendunst, fast jeder Held durch Riesen. Manch anderer in Feuersbrunst, gab keinen Tag wie diesen. Die Oma starb, die Mutter auch, die Brüder lagen tot im Rauch. Küsse erweckten wieder.
Walküren schenkten ihre Gunst, wir mussten nicht vergehen. Sie löschten gar die Feuersbrunst, wir durften auferstehen. Vergaßen ihre Hilfe nicht, erlebten neue Zuversicht, hatten den Frieden wieder.
Die Heimat strahlt in neuer Pracht vom Meer bis zu den Bergen. Wir schützen sie bei Tag und Nacht vor Midgards wilden Schergen. Vorbei sind Schrecken, Furcht und Krieg, wir loben den verdienten Sieg. Lass uns die Zeit genießen.
Dein Vater Thor bringt grad geschickt auf seinem Ziegenwagen mit Blitz und Donner wohlbestückt für Midgard Unbehagen. Sei dankbar, er ist stark und gut, bewundre seinen großen Mut. Solltest ihn innig lieben.
Drum stifte niemals Unheil, Kind, sei offen und bescheiden. Denn Eigensinn macht bös und blind, lässt dich und andre leiden. Vertrau den Göttern, sie sind gut, vergießen nicht der Unschuld Blut. Sollst sie mit Dank verehren.
Es ist genug gesagt, bedacht, du musst nun schlafen gehen. Ich wünsch dir eine gute Nacht bis wir uns wiedersehen. Gewiss wird Oma dir verzeihn, du musst kein Federzupfer sein. Denk an den hohen Nutzen.“